Für eine fortwährende Welterzeugung
Transplant - Hanging Gardens
Ein Garten ist das Abbild einer Weltvorstellung und die Bühne einer
Idee. Nebudkadnezar soll ungefähr 600 v. Chr. seiner heimwehkranken
Frau im heißen, flachen und sandigem Babylon einen wunderschönen
Garten angebaut haben. Diese artifizielle Umgebung war grün, blühte,
roch und breitete sich auf quadratischer Grundfläche auch vertikal
in Terrassen in die Höhe aus.
Ein Garten besteht aus Einsichten und ist die Behauptung einer Welt.
Eine Idee von einem Ort zum anderen verpflanzen. Fortpflanzen, anpflanzen,
weiterpflanzen ist ständiges Entwickeln und Behaupten.
Einen transportablen Sack mit Gestein, Erde oder Sand zu füllen
ist der erste Schritt zur Errichtung einer neuen Welt. Die ist wahrscheinlich
schon in Planung. Was wird dort wachsen, welche Konstruktionen werden
entstehen? Die Säcke sind eine Aufforderung zu einer nächsten
Behauptung bzw. Schöpfung und ihrer Verwirklichung.
Gelangen wir in die Fremde, nehmen wir von dort etwas auf und mit in
die eigene Welt und Sichtweisen. Welten werden herumgetragen, aus vielen
Einzelteilen synthetisiert, wieder auseinander genommen und neu gebildet.
Auf diese Art und Weise vermehren sich ebenfalls Pflanzen und breiten
sich aus, von selbst wie auch durch Menschenhand.
Ist ein Wohnhaus künstlicher als der gepflanzte Baum davor? Kultur
begreifen wir als Gegensatz zur Natur. Danach ist Natur etwas Unberührtes
und autonom Lebendiges, Kultur dagegen die vom Menschen geschaffene Welt.
Dennoch: Natur ist etwas, das wir uns als Natur erst erdenken und vorstellen
müssen. Unser Bild von Natur ist bereits Kultur, es ist kulturell
geprägt. Sobald wir etwas wahrnehmen, findet Kultur statt, obwohl
wir selbst ein Teil der Natur sind.
Wir setzen Strukturen in die Welt, die ein eigenes Dasein in der Welt
führen und die wir erneut wahrnehmen können. Natur erdenkt Kultur
und Kultur ist Natur. Der Mensch hat die Aufgabe, sich selbst zu erfinden,
er kann gar nicht anders.
Er (zer-) teilt die Welt in Module und synthetisiert sie wieder. Sie
schaffen Ordnung in unserer Wahrnehmung. Wir nehmen vor allem das wahr,
was wir für uns geordnet haben. Geordnete Dinge gelten als Kultur.
"Wilde" Natur gehört für uns erst einmal nicht dazu.
Jedoch sind Straßenkräuter schon immer benutzt, gezüchtet,
transportiert und wieder vergessen worden. Das Gegensatzpaar von wilder
ungezähmter Natur und kultivierten Zier- und Nutzpflanzen (Gärten)
entspringt einem vom Menschen geschaffenen Ordnungs- und Wahrnehmungssystem.
Sie stehen als Metapher und Analogie zu uns selbst.
Die Welt zu ordnen, zu zerteilen und wieder neu zusammen zu setzen kommt
ihrer Erfindung gleich. Die Welt zu zerteilen heißt auch, sie zu
zerstören. Module laden ein zum Austausch, zum Spielen, zum Weiter-Transportieren.
Sie sind der Baukasten für etwas Neues. Für einen neuen Garten.
Ilka Meyer
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