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Zwischen Orten, Strukturen, Körpern
Leipziger Volkszeitung vom 21.10.2005
Autor: Hendrik Pupat
Es heißt, die Frau von Nebukadne-zar II. habe in der
kargen Hauptstadt fürchterlich unter Heimweh gelitten. Sehr sehnte sie
sich zurück in die blühenden Landschaften ihrer Jugend, und so ließ der
Herrscher ihr eine prächtige Grünanlage errichten: die Hängenden Gärten
von Babylon, den Sieben Weltwundern zugerechnet.
Diese Geschichte zeugt nicht nur von der Kraft der Liebe, sondern vor
allem von der Verpflanzbarkeit von Heimat. Heimat kann man, vereinfacht
ausgedrückt, in Steinsäcke packen und anderenorts Stück für Stück neu
errichten. Mit diesem Motiv spielt Ilka Meyer in "Transplant - Hanging
Gardens II", der Installation, mit der sie bei Medienkunstprofessor
Ralf Urban Bühler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) nun
den Meisterschülertitel erwarb, eine Auszeichnung, die diesen Herbst
insgesamt 22Studenten erlangten, 13 im Bereich Malerei und Grafik, fünf
in der Fotografie, drei in der Medien- und nur noch eine, Mira Voigt,
in der Buchkunst.
Gärten stellen für Ilka Meyer portable Abbilder von Weltvorstellungen
dar. Ihre mit Leipziger Straßenrandgewächsen bepflanzten Steinsäcke
sind zugleich Symbol und Modul für die Behauptung und Schöpfung von
Wirklichkeit. Wer es weniger philosophisch mag, findet auch ästhetisch
leicht Zugang: Die Anordnung der Module im Raum versteht die
Künstlerin, Jahrgang 1972, als dreidimensionale Malerei. Schade nur,
dass in der Meisterschülerausstellung bloß Fotos der Verpflanzungen zu
sehen sind. Der Körperlichkeit beraubt, gehen sie eher unter -umgeben
etwa von erfolgsverwöhnter, guter Malerei von Isabelle Dutoit, Tobias
Lehner, Sebastian Gögel.
Über die rechte Seite des Lichthofs erstrecken sich 24
Schwarzweiß-Porträts von Anna Tessenow: Köpfe, die man zu kennen
glaubt, aber nicht kennt. Motiv-Wiederholungen, Variationen - serielle
Malerei. Doch worum geht es: Um die Frage nach Reproduzierbarkeit und
Unikat, um die Suche nach charakteristischem Ausdruck, um beides, um
mehr?
Die spannendsten Porträts stammen seit Jahren von Steven Black. Der
31-Jährige arbeitet noch mit leibhaftigen Modellen, die er so in seinem
Atelier platziert, dass sich für ihn ein stimmiges Bild ergibt zwischen
den Körpern und den Strukturen des Raums. Dieser bleibt auf der
Leinwand meist weiß, Skizze nur. Umso verdichteter wirken die Modelle:
Alle Farbe scheint es zum Fleisch zu ziehen, wo sie sich pastos von der
Leinwand abhebt. Handelt es sich wirklich um Porträts? Jein. Blacks
Unternehmen ist immer auch ein geometrisches.
Die Wechselwirkung zwischen Orten, Strukturen und Körpern interessiert
auch Diana Wesser. Ihr Medium ist Video. Zusammen mit einem Tanzprofi
hat sie sich in eine verfallende Fabrik im Leipziger Osten begeben und
hier die Impulse des Raums zu Bewegung werden lassen. Aus dem Bild- und
Klangmaterial schnitt die Alba-d'Urbano-Meisterschülerin am Computer
eine packende Choreographie. Videotanz.
Imposant sind die dreidimensionalen "Zeichnungen" des
Astrid-Klein-Schülers Christoph Weber, "Carbon Drawings": meterlange,
filigrane Kohlefaserstäbe, die sich über öffentlichen Stadtraum
erheben, Wind, Statik, Erdanziehung nicht scheuend. Webers
Dokumentation läuft allerdings auf einem Mini-Bildschirm, wenn sie
überhaupt läuft.
Schade auch: Die wundersamen Nadelgehölz-Foto-Tableaus von
Rautert-Meisterschüler Ulrich Gebert - schräg-anrührendes Ergebnis von
zwei Jahren Pilgerschaft durch botanische Gärten - in der ASPN Galerie
sind nur noch bisSonnabend zu sehen, genau wie die fantastische Malerei
von Sebastian Gögel in der Galerie Post.
Hendrik Pupat
Die Ausstellung in der HGB selbst ist noch bis 29. Oktober geöffnet (Di bis Fr 12-18, Sa 10-15 Uhr).
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